Edition 5 Erstfeld

12 x 5 neue Objekte des täglichen Wahrnehmungsgebrauchs

Zur beeindruckenden Liste dreidimensionaler Multiples zeitgenössischer Künstlerinnen und Künstler, die Ruth & Jürg Nyffeler in ihrer Edition 5 seit 1994 verlegen, sind in den vergangenen Monaten zwölf weitere Objekte hinzugekommen. Jede neue Position reichert den bereits bestehenden Dialog dieser „Kunst-Patchwork-Familie” weiter substantiell an. Bei einem Besuch bei Ruth & Jürg Nyffeler in Erstfeld lässt sich dieser vielstimmige Dialog eindrucksvoll erleben. Man wird auf ganz unterschiedlichen sinnlichen, intellektuellen, ästhetischen und materiellen Ebenen aktiviert. Das ist Ausdruck einer ernsthaften Auseinandersetzung mit der Kunst und zeugt von einer Haltung, die offen ist für Neues, Unkonventionelles, Überraschendes und sich auch auf Widerständiges einlässt. Andere Meinungen werden nicht nur geduldet, sondern sind explizit erwünscht. Im Austausch mit diesen individuellen „Gesprächspartnern” kann man so seinen eigenen Standpunkt kritisch hinterfragen, um sich auf diese Weise neu in der Welt zu verorten. Die Auseinandersetzung mit Kunst wird hier wirklich gelebt.

Wozu es Kunst braucht und wie wichtig die Auseinandersetzung mit Kunst ist, haben die letzten Monate eindrücklich gezeigt. Durch die Pandemie-bedingte Schliessung der Museen und Galerien und dem kompletten Ausfall jeglicher künstlerischer Aktivitäten aus dem öffentlichen Leben wurde manchen vielleicht erst richtig bewusst, welch zentraler Stellenwert dem Beitrag der Kunstschaffenden für das soziale und kulturelle Miteinander und das Funktionieren einer Gesellschaft zukommt. Kunst und Kultur sind ein bedeutendes, nachhaltiges und substantielles „Schmiermittel” unserer sozialen Gemeinschaft. Kunst besteht nicht nur aus Blockbuster-Ausstellungen und astronomisch hohen Beträgen, die für einzelne Trophäen auf dem Kunstmarkt investiert werden. Kunst besteht vor allem aus Teilen. Und dass Edition 5 jedes Objekt in einer Fünfer-Auflage anbietet, ist kein Zufall. Es geht weniger um das Besitzen als vielmehr um das Teilen. Ruth & Jürg Nyffeler teilen ihr Interesse und ihre Freude und Neugier an der Kunst und laden Interessierte ein, an diesem Dialog teilzunehmen. Diese geistig-intellektuelle und sinnliche Offenheit ist in Zeiten zunehmender Abschottung, mit der wir gegenwärtig in verschiedensten Bereichen direkt konfrontiert sind, eine bemerkenswerte und überaus versöhnliche Geste. In der Auseinandersetzung mit Kunst lassen sich Barrieren überwinden, physische wie geistige. Das ist eine sehr schöne und in gegenwärtig wirren Zeiten eine beruhigende Erfahrung.


Invar-Torre Hollaus, im Mai 2020