Edition 5 Erstfeld

Eine andere Sichtweise

Meine früheste Erinnerung an die Edition 5 meiner Eltern geht zurück in den Sommer 1994. Der Künstler Franz Wanner ist für eine Zeit bei uns zu Besuch. Sehr gerne erinnere ich mich an seine guten Kochkünste, an das Spielen mit ihm um ein zusätzliches Taschengeld und an die Entstehung einiger Kunstwerke in dieser Zeit. In unserem Garten und in der Werkstatt meines Grossvaters hat Franz Wanner in diesem Sommer – unter grosser Aufmerksamkeit von meiner Schwester und mir – das Kunstobjekt «Die Büchse der Pandora» geschaffen. Dieses Werk markiert den Beginn der Edition 5 Erstfeld.

Von grosser Leidenschaft getrieben, geben Ruth und Jürg Nyffeler seit diesem Zeitpunkt zahlreiche Multiples diverser Kunstschaffender heraus. Die Objekte, die sich inhaltlich, formell, technisch und materiell voneinander unterscheiden, bilden als Ganzes ein vielseitiges Konglomerat. Einzig der Objektcharakter und die Fünferauflage ist gemeingültig. Der konkreten Umsetzung der Multiples ist den Kunstschaffenden ein beinahe grenzenloser Spielraum gelassen. Und dies macht die Leidenschaft der Herausgeber und Sammler aus: eine grosse Offenheit für Neues, stetes Interesse an der Entstehung neuer Werke und enorme Freude an dem daraus resultierenden Kunstwerk. Die Unabhängigkeit vom Kunstmarkt lässt Ruth und Jürg Nyffeler dabei unbegrenzten Freiraum.

Die Entwicklung der Edition 5 zu sehen, war für mich immer spannend und mit zahlreichen Erinnerungen verbunden: Als Kind erinnere ich mich beispielsweise an diverse spannende Besuche in Ateliers, Museen oder Galerien, das Lauschen von Gesprächen über Kunst und geplante Kunstwerke, das Spielen im Garten mit Lang/Baumann, mein Entsetzen, dass dem Hund von Christoph Rütimann einer meiner Lieblingsteller als Napf zur Verfügung gestellt wurde, oder später an den Transport eines Multiples aus Schokolade von Karin Sander mit den öffentlichen Verkehrsmitteln an einem der heissesten Tage im Jahr.

Heute werden mir bei meinen Besuchen in Erstfeld regelmässig neue Editionen vorgestellt – und die Freude meiner Eltern über diese zeigt sich oft in einem verschmitzten Lächeln. Sie mögen die Verspieltheit, die Einzigartigkeit und den Witz der einzelnen Werke. Es ist schön, solch junggebliebene Eltern zu haben, die es nie verlernt haben, sich des Lebens zu freuen und die mich auch gerne mal mit ihrem Humor aus der Reserve locken wollen: An meinem 32. Geburtstag legte mir mein Vater die Edition «Nagelbrombe» von Christian Eisenberger auf den Tisch. Aber so einfach wollte er es mir nicht machen. Daneben legte er einige Banknoten. Er wolle mir ein Geschenk machen – aber die Entscheidung liege nun bei mir. Ein kurzer Blickaustausch mit meinem Mann und ein gegenseitiges Zulächeln – die Entscheidung ist für mich für einmal leicht: Die Nagelbrombe von Christian Eisenberger hat neben anderen Editionen einen festen Platz in unserem Wohnzimmer gefunden.