Edition 5 Erstfeld

Barley

Markowitsch/von Matt

Barley
Bild vergrössern

Duripanel, Metall, Lampe, Buch
27,5 x 30,6 x 30,6 cm
2004
Fr. 4500.-

Barley

Markowitsch/von Matt

Duripanel, Metall, Lampe, Buch
27,5 x 30,6 x 30,6 cm
2004
Fr. 4500.-

Mit dem Multiple Barley - entwickelt in Zusammenarbeit mit Philipp von Matt, Architekt in Berlin - bietet der Schweizer Künstler Rémy Markowitsch einen Aus- bzw. Einblick in sein Ausstellungs- und Buchprojekt On Travel, das die Ergebnisse seiner Expeditionen ins Innere von Fotobildbänden und Reisebüchern dokumentiert. Wichtiger Bestandteil von On Travel ist eine Sammlung fotografischer und textlicher Fundstücke aus literarischen und wissenschaftlichen Reiseberichten, mit denen der Künstler ein neues Licht auf gesammelte tropische und alpine Bildwelten wirft. Die gefundenen Bilder werden in der Form von fotografischen Durchleuchtungen ausgewählter Buchseiten präsentiert, die gesammelten Zitate in Form einer Kompilation, die in der Ausstellung vom Künslter gelesen zu hören, und im Buch als Textband zu lesen ist. Der Bogen spannt sich von Joseph Conrads „Herz der Finsternis“ (1899), Robert Müllers „Tropen“ (1915) über Claude Lévi-Strauss „Traurige Tropen“ (1955) bis hin zu Johannes Fabians „Im Tropenfieber“ (2000). Die Zitatensammlung, die um die Begegnungen des „weissen Reisenden“ mit dem „Fremden“, seine Phantasmen und Begierden kreist, bildet die Basis, das Fundament, des Multiples Barley, einer miniaturisierten Fassung der gleichnamigen, raumgreifenden Installation (2,3 x 2,3 x 2,3 m). Diese „modernistischer Urhütte“ - bereits die vierte Zusammenarbeit mit dem Architekten Philipp von Matt - ist ein nüchterner Bau, ein weißer quadratischer Kubus, auf dessen Dach eine leere Bierflasche steht. Ideengeber waren Nigel Barleys „Lehmhüttennotizen“ Traumatische Tropen. Der Ethnologe lebte zwei Jahre lang bei den Dowayos, einem Bergvolk in Kamerun. Folgt man seinen Ausführungen, waren die Dowayos verwundert, als er sich, bezüglich der Behausung, die diese für ihn gebaut hatte, „erkundigte, warum sie die Stacheln, die den Bewohner gegen Zauberei schützen sollen, weggelassen hatten. Jeder wußte doch, dass Weiße gegen zauberische Angriffe gefeit waren, genauso wie allgemein bekannt war, daß sie in einer quadratischen, statt in einer runden Hütte wohnen mussten. Folglich hatte auch meine Hütte quadratische Form, und statt der Abwehrmittel gegen Zauberei kam eine leere Bierflasche auf die Spitze des Dachs.“ Barley verkehrt in seiner Geschichte den Blick, konstruiert eine Art „Rückprojektion“, deren sich Markowitsch bedient, um den Blick des Reisenden und auch des Betrachters zu thematisieren, in mehrfacher Hinsicht. Im Innern, im „dunklen Herz“ der Hütte, gibt der Künstler Nigel Barleys Buch, die Textquelle, gefaßt von präparierten Hühnerkrallen, zur Einsicht frei. Der Innenraum wird durch ornamentartig angeordnete Löcher in der Decke erhellt. Diese bilden in vergrößerter und durchleuchteter Form Gesichtsmalereien auf einer Buchseite in Claude Lévi-Strauss’ Traurige Tropen nach. Beim Multiple dient das Buch On Travel als Fundament, auf dem sich die Konstruktion aufbaut. Auch das Licht kommt hier von Innen, und wirft - ähnlich stimmungsvollen, modischen Lampen - das ornamentartige Muster an die Decke.
In seinem vielschichtige Spiel mit Kategorien wie Innen - Außen, Schwarz - Weiss, hinterfragt der Künslter diese immer wieder. Mit On Travel demontiert Markowitsch spielerisch den Blick des „weissen Reisenden“. Er rekontextualisert und rekartographiert den Topos der Tropen und verortet ihn im Reisenden selbst. Markowitschs Arbeiten zeigen, wie nachhaltig literarische und visuelle Dokumente, Bilder von nie gesehenen Landschaften und Kulturen geprägt haben und immer noch prägen. Barley steht dabei fuer die Widersprüchlichkeit zwischen dem modernen Rationalismus und den rauschgeprägten, weniger beherrschten unterbewussten Begierden der Reiseberichterstatter.

Antje Weitzel, Berlin